Mein letzter Blog

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von J.P. Conrad

Aritkelbild 12.09.2022

Von der inneren Waage und höflichem Morden

In einer Rezension zu meiner Kurzgeschichtensammlung In einer Stunde tot habe ich einmal gelesen: "Conrad hat eine Art, mit der Sprache umzugehen, die unnachahmlich ist." Das hat mir natürlich geschmeichelt, mich gleichzeitig aber auch zum Nachdenken gebracht.

Wie gehe ich denn mit der Sprache um? Ich reihe Sätze aneinander, die eine – hoffentlich – interessante und spannende Geschichte ergeben. Das ist ja wohl das Grundprinzip, dem sich alle Schriftsteller bedienen. Die Frage ist doch, was ich da so besonderes tue, das sich von anderen unterscheidet. Ich habe lange überlegt und inzwischen vielleicht eine Antwort gefunden: Ich komponiere Texte.

Um das zu erklären, muss ich zunächst über meine hauptberufliche Arbeit sprechen. Als Mediendesigner bin ich täglich in kreative Prozesse vertieft: Grafische Gestaltung für Printmedien aller Art, Erstellung von Internetauftritten und auch das Modellieren in 3D. Ich habe eine sehr klare Wahrnehmung, was Farben und Formen angeht. Das ist etwas, das man nicht, oder zumindest nicht in einer Schule oder einem Studium, lernen kann. Ich denke, das entsprechende Talent ("Gabe" wäre etwas zu übertrieben) ist mir angeboren.

Wenn ich an einem Auftrag für einen Kunden arbeite, achte ich auf eine Ausgewogenheit von Grafik und Text; ich nenne es eine imaginäre Waage. Solange ich in einem Entwurf noch ein Ungleichgewicht sehe, ist er nicht fertig. Das genauer zu erklären ist schwierig, denn es ist im Grunde nur ein Gefühl, das ich, wie einen Muskel, über viele Jahre trainiert habe.

Diese imaginäre Waage ist es auch, die ich beim Schreiben meiner Geschichten einsetze. Ein Absatz muss aus einzelnen Sätzen bestehen, die sich im Lesefluss die Waage halten. Man kann es vielleicht mit eine Art Welle umschreiben. Bei einem perfekten Aufbau des Textes reitet man auf ihr beim Lesen gleichmäßig auf und ab. Solange ich in irgendeiner Form gestoppt oder – um bei dem Vergleich mit der Welle zu bleiben – abgeworfen werde, passt etwas noch nicht. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob es das ist, was meine Leserin mit der "unnachahmlichen Art" meinte. Aber so würde ich es mir erklären. Es muss ein durchgängiger Fluss, ohne harte Brüche, sein.

Ein weiterer Punkt, der vielleicht auch mit hineinspielt, ist mein (über-) korrekter Stil des Schreibens. Ich würde ihn selbst am Ehesten als "altmodisch" bezeichnen. Sprache ist immer im Wandel und die Menschen reden heute ganz anders, als noch vor hundert oder fünfzig Jahren. Nicht unbedingt untereinander, aber durch die Medien (Beispiel Werbung) kann man diesen Wandel sehr gut verfolgen. Und die Medien sind es doch, die uns alle, neben unseren Eltern, geprägt haben.

Aber was meine ich nun mit "altmodischem" Schreibstil? Als großer Verehrer von Alfred Hitchcock mag ich natürlich auch die Art, wie die Menschen in seinen Filmen sprechen. Da er über viele Jahrzehnte als Regisseur tätig war, hat sich natürlich auch in die Sprache in seinen Filmen verändert. Aber sie war durchgehend, tja, wie soll ich es umschreiben? "Sauber" trifft es wohl am besten. Und ich denke, ich habe mir das etwas abgeschaut. Selbst, wenn jemand bei mir flucht, die schmutzigsten Ausdrücke verwendet oder er / sie jemandem die Kehle aufschlitzt, dann tut er das in einem "höflichen", nicht nur zweckgebundenem Ton. Ist das zu verstehen? Wenn nicht, dann kann ich nur noch raten, mal eines meiner Bücher zu lesen.

Zu guter Letzt möchte ich (angehenden) Autoren noch eine Tipp mit auf den Weg geben: Respektiert und ehrt die deutsche Sprache! In den sozialen Medien, Kurznachrichtendiensten und Messengern ist es heutzutage oft üblich, ohne Punkt und Komma zu schreiben und die Regeln von Rechtschreibung und Grammatik zu ignorieren. Das kann sich negativ auf die Autorenarbeit auswirken! Es klingt vielleicht spießig, aber ich selbst versuche in jeder noch so hektischen Situation, korrekte Sätze mit Interpunktion zu bilden. Das hilft ungemein, denn ich muss dann nicht zwischen "Schnodderschnauze" und "richtigem Deutsch" hin und her schalten.